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Wenn Investoren bohren lassen

Zahnärzte warnen vor Versorgungszentren mit Renditeziel / Ein verpflichtendes Register soll für mehr Transparenz sorgen

Berlin - Die freiberuflichen Zahnärzte in Deutschland sorgen sich um die zuneh-
mende Zahl zahnmedizinischer Versorgungszentren (Z-MVZ). Der Kassenzahn-
ärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) zufolge betrug deren Zahl in Deutschland

Ende März exakt 1000, mittlerweile dürften 40 weitere hinzugekommen sein. Be-
sonders beunruhigt zeigen sich die Funktionäre über den Zuwachs an investoren-
getragenen Versorgungszentren. Deren Anteil am Gesamtmarkt wachse kontinu-
ierlich, heißt es in einer aktuellen Bestandsaufnahme. Er belaufe sich inzwischen

auf ein gutes Fünftel. Gab es im Dezember 2015 lediglich zehn, so waren es im
März 2020 bereits 207 und mittlerweile sind es wohl bereits rund 220.

Wer genau dahintersteckt, ist oft sehr schwer herauszufinden. Die Beteiligungs-
strukturen der Investoren ließen sich teilweise „nur durch aufwändige Recher-
chen in Handelsregistern und speziellen Datenbanken“ aufdecken, klagt die

KZBV - und fordert deshalb ein verpflichtendes Register. Nur auf diese Weise, so
die Begründung, könne die „mangelhafte Informationslage“ dauerhaft verbessert
werden.

Die Inhaberstrukturen seien „tief verflochten und bewusst verschachtelt“, ärgert
sich KZBV-Chef Wolfgang Eßer. „Wir fordern daher den Gesetzgeber auf, diese
undurchsichtige Informationslage durch die gesetzlich vorgegebene Einführung

eines verpflichtenden MVZ-Registers deutlich zu verbessern und unter dem As-
pekt des Patientenschutzes auf Praxisschildern und -webseiten klar kenntlich zu

machen, wem ein MVZ tatsächlich gehört.“
Erforderlich sei diese Transparenz „insbesondere, um jederzeit aktuell die weitere

Entwicklung der Versorgung genau beobachten und bei Bedarf präventiv eingrei-
fen zu können“ - nicht zuletzt mit Blick auf mögliche Über- oder Fehlversorgung.

Außerdem, so die KZBV-Argumentation, sei die Möglichkeit solchen Einblicks
ein „Gebot der Fairness“. Schließlich gebe es auch Arzt- und Zahnarztregister.
Auch die Patienten sollten Bescheid darüber wissen, „in welche Hände sie sich
begeben“.

Aktuell hat die KZBV für den zahnärztlichen Bereich in Deutschland zwölf Groß-
und Finanzinvestoren identifiziert, die zum Teil weltweit agieren und ein Gesamt-
investitionsvolumen von rund 94 Milliarden Euro verwalten. Am aktivsten davon

ist die französische Private-Equity-Gesellschaft PAI Partners mit deutschlandweit
36 Zahn-MVZ, gefolgt von der Züricher Jakobs Holding AG, dem in Bahrain

und auf den Kaiman-Inseln ansässigen Unternehmen Investcorp und der skandi-
navischen Geldsammel-Firma Altor Equity Partners mit jeweils 30 Zentren.

Von den insgesamt 1000 zugelassenen Zahn-MVZ befanden sich Ende März 622
im Verbund mit einer Kette. Die beiden mit Abstand größten davon sind die von
Acura (Investcorp) mit 30 Standorten und „Dr. Z“ mit 22 Standorten. Wobei die

„Dr. Z“ GmbH momentan in Nöten zu stecken scheint. Gegen drei ihrer Versor-
gungszentren, in Düsseldorf, Koblenz und Stuttgart, läuft derzeit nach Informa-
tionen von Tagesspiegel Background ein Insolvenzverfahren. Auf eine Anfrage 

dazu reagierte das Unternehmen nicht. 

Der Kreis der möglichen Gründer von zahnärztlichen Versorgungszentren um-
fasst neben Zahnärzten auch Ärzte, zugelassene Krankenhäuser, Erbringer nicht-
ärztlicher Dialyseleistungen, gemeinnützige Träger oder Kommunen. Um hier ak-
tiv werden zu können, müssen Finanzinvestoren folglich in den Besitz eines dieser

möglichen MVZ-Träger gelangen. Nach Erkenntnissen der KZBV siedeln sich in-
vestorengetragene Versorgungszentren „vorwiegend in gut versorgten, urbanen

Gegenden an, in denen das Durchschnittseinkommen höher ist“. An der Versor-
gung ländlicher, strukturschwacher Regionen dagegen beteiligen sich investoren-
getragene MVZ nur in geringem Umfang. Nur sieben Prozent dieser Zentren lä-
gen in ländlichen Bereichen mit niedrigem Medianeinkommen, 76 Prozent dage-
gen in Städten und Ballungszentren. „Damit leisten sie so gut wie keinen Beitrag

zur Patientenversorgung in Gebieten, in denen am ehesten Versorgungsengpässe

und Unterversorgung drohen“, sagt Eßer. „Die Aufrechterhaltung der flächende-
ckenden, wohnortnahen und qualitätsgesicherten Versorgung durch freiberuflich

tätige, dem Gemeinwohl verpflichtete Zahnärztinnen und Zahnärzte wird mit
dem Geschäftsmodell der Investoren auf Dauer gefährdet.“
Mit Blick auf die forcierten Zuwächse müssten bestehende MVZ-Regelungen

„schnellstmöglich und konsequent weiterentwickelt werden“, forderte Eßer. Kon-
krete Vorschläge dafür werde man im Herbst dieses Jahres machen. Schließlich

zeige die Coronakrise „doch ganz klar, dass eine Vergewerblichung und Kommer-
zialisierung des Gesundheitswesens, wie sie etwa in den USA schon weiter fortge-
schritten ist, ein fataler Irrweg ist“. Bereits vor einem Jahr forderte die den Zahn-
ärzten sonst nicht so nahestehende Linkspartei per Bundestagsantrag ein öffent-
lich zugängliches Register für alle medizinischen Versorgungszentren (MVZ) in

Deutschland - samt Meldepflicht über Trägerstrukturen, Beschäftigtenzahlen und
ausgeschüttete Gewinne. Der Antrag wurde abgelehnt.

Die Grünen sympathisieren ebenfalls mit der Forderung nach einem verpflichten-
den MVZ-Register. Entscheidend für die Patientenversorgung sei aber „in erster

Linie die Qualität der erbrachten Leistungen und nicht die Trägerschaft der Ein-

richtungen“, sagte deren Fraktionsexpertin Kirsten Kappert-Gonther dem Tages-
spiegel Background Gesundheit & E-Health. „Wir brauchen daher dringend vor

allem mehr Transparenz über die Behandlungsqualität. Das gilt gerade für den

zahnmedizinischen Bereich, in dem ein Großteil der Leistungen durch die Versi-
cherten selbst gezahlt werden muss.“

Die Union indessen hält wenig von der Register-Forderung. Ein solcher Überblick

wäre, warnt deren Gesundheitsexperte Erwin Rüddel, „mit deutlichem bürokrati-
schem Aufwand für die MVZ und die Selbstverwaltung verbunden, während das

eigentliche Ziel verfehlt wird: Als Eigentümer von MVZ tauchen nicht die Inves-
toren auf, sondern die entsprechenden Trägerstrukturen wie zum Beispiel ein

Krankenhaus.“ Dabei sagten die Eigentümerstrukturen „nichts über die Qualität

der Gesundheitsbehandlung für den einzelnen Patienten aus“, so der CDU-Exper-
te und Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag.

Lukrativer Markt. Es entstehen immer mehr von Investoren getragene zahnärztli-
che Versorgungszentren.

Von Rainer Woratschka (Tagesspiegel vom 13.8.2020)