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Parodontale Taschen - ein potenzielles Reservoir für SARS-CoV-2?

Die Mundhöhle zählt zu den Einfallstoren einer SARS-CoV-2-Infektion. Wissenschaftler der Universität Nantes haben nun die Rolle parodontaler Taschen bei der Virusreplikation untersucht.

Parodontale Taschen bilden mit ihren bakteriellen Biofilmen ein weitgehend eigenständiges mikrobiologisches Ökosystem, das einerseits mit der supragingivalen Mundhöhle interagiert und andererseits über Zugänge zum Blutkreislauf verfügt und dort systemische Effekte weitab der Mundhöhle verursachen kann.

Die Taschen enthalten nicht nur Bakterien, sondern auch Viren
In zahlreichen Publikationen konnte bereits gezeigt werden, dass in den Taschen nicht nur Bakterien, sondern auch Viren zu finden sind. Neben Bakteriophagen im Zahnbelag gehören Herpes-simplex-Viren (HSV), Epstein-Barr-Viren (EBV) und humane Cytomegaloviren (HCMV) zu den am häufigsten nachgewiesenen Viren in Zahnfleischtaschen. Je nach Schweregrad der Parodontitis schwanken die Prävalenzen zwischen 26 bis 78 Prozent (HSV), 46 bis 58 Prozent (EBV) und 42-58 Prozent (HCMV). Die Viren fanden sich in verschiedenen Lokalisationen: im Gingivagewebe, in der subgingivalen Plaque und in der Sulkusflüssigkeit.

Da SARS-CoV-2 im Speichel bereits festgestellt wurde, halten es die Wissenschaftler der Universität Nantes für möglich, dass das Virus auch in der Sulkusflüssigkeit und darüber hinaus in der parodontalen Tasche gefunden werden könnte. Bekannt ist bereits, dass das Angiotensin-Converting-Enzym-2 (ACE-2) als Hauptrezeptor für den Viruseintritt in die Zielzellen auch von Zellen aus der Mundhöhle wie beispielsweise Speicheldrüsenzellen exprimiert wird.

Auch die Expression von ACE-2 in gingivalen und parodontalen Ligamentfibroblasten konnte bereits gezeigt werden. Neuere Untersuchungen lassen auch einen Infektionsweg über den Cluster of Differentiation 147 (CD 147) auf Zellmembranen möglich erscheinen. Dass Epithelzellen aus parodontalen Taschen CD 147 exprimieren, wurde bereits in früheren Studien bestätigt, so dass auch dieser Infektionsweg möglich wäre.

Parodontale Taschen als "anatomische Nischen" für SARS-CoV-2
In der COVID-19-Forschung mehren sich inzwischen die Hinweise, dass Patienten nach der Genesung erneut klinische Symptome der Erkrankung zeigen. „Retrospektive Daten haben auch die Möglichkeit einer erneuten Aktivierung von SARS-CoV-2 gezeigt“, schreiben die Forscher und folgern, dass im Körper möglichweise „anatomische Nischen“ existieren, die als Reservoir für SARS-CoV-2 dienen – sowohl während aktiver oder auch latenter Erkrankungsphasen. Parodontale Taschen könnten eine solche Nische darstellen.

Um die Forschungen zu dieser Hypothese voranzutreiben sammeln die Wissenschaftler in einem laufenden Forschungsprojekt subgingivale Plaque und Sulkusflüssigkeit von COVID-19-Patienten. Sollte sich die Hypothese der Wissenschaftler bestätigen, würde die Parodontaltherapie möglicherweise künftig eine wichtige Rolle bei der Behandlung von COVID-19-Patienten spielen.

Zahi Badran, Alexis Gaudin, Xavier Struillou, Gilles Amador, Assem Soueidan, Periodontal pockets: A potential reservoir for SARS-CoV-2?, Medical Hypotheses, Volume 143, 2020, 109907, ISSN 0306-9877, doi.org/10.1016/j.mehy.2020.109907.

Quelle: ZM-Online.de